Text & Podcast

by Valerie Wagner

Resilienz statt Transformation

Mein Gespräch mit Kristina Reymann dauerte eine gute Stunde. Das Thema – wir haben über Working Out Loud (WOL), Graswurzelbewegungen und Widerstandsfähigkeit gesprochen – ist einfach spannend. Ich freu mich über deine Meinung im Kommentarfeld unter dem Beitrag!

Wie Transformation aus der Unternehmensmitte gelingen kann

Graswurzelbewegungen sind Initiativen aus der Mitte von Unternehmen. Mitarbeitende wollen Verbesserungen herbeiführen und schließen sich zusammen, um einen Wandel in der Organisation zu erzielen. Sozusagen als Gegenbewegung zu den Top-Down Entscheidungen des Managements. Für einen Kulturwandel, die viel besprochene Transformation in Unternehmen, braucht es beides. Dabei kann Working-Out-Loud (WOL) Unternehmen unterstützen. Darüber habe ich mit Transformationsexpertin Kristina Reymann im Interview gesprochen.

Die Haspa (Hamburger Sparkasse) – das kann man eurem Corporate Blog entnehmen – befindet sich mitten in der Transformation. Wer legt fest, dass sich das Unternehmen transformieren muss?

Das sind die Kunden, die das festlegen. Die Kundenbedürfnisse sind komplett andere geworden als noch vor ein paar Jahren. Unser Vorstand hat mit Unterstützung von Beratern und unseren strategischen Abteilungen eine neue Vision festgelegt. Die auf die veränderten Kundenbedürfnisse und Marktsituation einzahlt.

Wir müssen uns auf einen anderen Weg begeben und uns den Bedürfnissen der Kunden anpassen. Damit verändern sich unsere Rollen und Arbeitsprofile. Doch es braucht auch jemand der den Rahmen dafür vorgibt. Gerade weil wir so viele Mitarbeitende sind, brauchen wir eine Struktur, sonst wird es schnell chaotisch.

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Glaubst du, dass die Pandemie Mitarbeitende in Unternehmen dazu befähigt hat, sich anzupassen und Veränderungen schneller umzusetzen?

Ich denke viele Unternehmen haben inzwischen die Transformation angestoßen, ob bewusst oder unbewusst. Die Pandemie war aus meinem Blick ein Katalysator für die Themen der „neuen Arbeitswelt“. Vor Jahren haben wir noch über die VUCA-Welt gesprochen, und heute leben wir mittendrin. Wir haben uns das alle so nicht ausgesucht und wurden durch Corona in eine Unsicherheit geschmissen, die sich mit dem furchtbaren Ukraine-Krieg fortsetzt. Es ist wichtig geworden, dass wir uns stärken. Lernen, uns nicht aus „der Bahn“ bringen lassen. Uns auf unsere Werte fokussieren und konzentrieren. Deshalb würde ich das Wort „Transformation“ gern gegen „Resilienz“ tauschen. In Zukunft müssen wir mit Unsicherheiten leben. Niemand kann sagen, was morgen kommt. Deshalb ist eine gute Widerstandsfähigkeit so wichtig im „neuen Normal“.

Die Burnout-Zahlen zeigen auch was Corona mit uns gemacht hat. COVID19 betrifft nicht nur das Arbeitsleben. Hobbies sind unter anderem auch ein wichtiger Faktor für das Wohlbefinden. Corona hat das stark eingeschränkt. Das Privatleben hat sich verändert. Plötzlich waren wir entweder viel mehr mit der Familie zusammen – oder gar nicht mehr. Freundeskreise und Familien habe ich zerbrechen sehen, weil die Meinungen zu Corona auseinander gingen.

Aus meinem Blick müssen wir alle in ein neues Normal kommen und neue Verhaltensmuster lernen. Aktuell erlebe ich noch viele Menschen, die erst noch lernen müssen, resilient(er) zu werden. Lernen sich selber zu sagen „okay, ich hatte das zwar anders geplant! Jedoch werde ich dann halt einen anderen Weg finden. Und das ist auch okay!“ Ich fände es grob fahrlässig, wenn wir in Unternehmen diesen Punkt – resilienter zu werden – nicht weiterverfolgen würden.

Die Working-Out-Loud-Methode kann aus meiner Erfahrung heraus sehr gut dabei helfen, sich auf neue Situationen schneller einzustellen – und das nachhaltig.

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VUCA ist ein Akronym für die englischen Begriffe

  • volatility ‚Volatilität‘ (Unbeständigkeit),
  • uncertainty ‚Unsicherheit‘,
  • complexity ‚Komplexität‘ und
  • ambiguity ‚Mehrdeutigkeit‘.

Es beschreibt schwierige Rahmenbedingungen der Unternehmensführung. Der Begriff entstand in den 1990er Jahren am United States Army War College (USAWC) und diente zunächst dazu, die multilaterale Welt nach dem Ende des Kalten Krieges zu beschreiben. Später breitete der Begriff sich auch in andere Bereiche strategischer Führung und auf andere Arten von Organisationen aus, vom Bildungsbereich bis in die Wirtschaft.

Eine Strategie zum Überleben in der VUCA-Welt leitet sich ebenfalls von der Abkürzung ab, nämlich:

  • vision ‚Vision‘,
  • understanding ‚Verstehen‘,
  • clarity ‚Klarheit‘,
  • agility ‚Agilität‘.

Quelle: Wikipedia

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Was ist die Working-Out-Loud-Methode und wie funktioniert sie?

2018 bin ich auf WOL aufmerksam geworden. Ich habe mich damals selbst auf den Weg der Veränderung begeben. Und WOL hat mir hierbei stark geholfen. Wenn ich heute feststelle, da liegt etwas vor mir, da gibt es eine Kompetenz, die ich haben will, wende ich WOL an. Dadurch habe ich gelernt mich auf ein Ziel zu konzentrieren und zu fokussieren. Ich habe gelernt, tragfähige Netzwerke aufzubauen. Netzwerke, in denen wir uns gegenseitig unterstützen und helfen. WOL ist nie eine Einbahnstraße. In einem Satz beschrieben ist WOL eine einfache Methode, um sich zu fokussieren, relevante Beziehungen aufzubauen, ein Ziel zu erreichen und neue Themen zu entdecken.

Wann ist Working Out Loud erfolgreich?

Immer! (lacht). Die Grundvoraussetzung für WOL: Du musst es selbst wollen. Du hast Interesse daran, irgendeine Fähigkeit oder Kompetenz für dich weiterzuentwickeln oder zu erlernen. Deshalb glaube ich, dass es gar nicht geht, dass WOL nicht erfolgreich ist. Denn du hast ja schon erkannt, dass du „irgendwas“ weiterentwickeln möchtest. Der Erfolg liegt für mich in der veränderten Haltung, die du durch die WOL-Methode schnell erlernst und verinnerlichst.

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Working Out Loud – WOL

WOL ist ein Lernprogramm mit 12 Lehrbriefen und rund 30 Coaching-Aufgaben entwickelt von John Stepper. Um neue Muster zu festigen, muss Neues öfter wiederholt werden. Deshalb ist WOL auf 12 Wochen angelegt, pro Woche eine Stunde. In einer sogenannten Peergroup bestehend aus vier bis fünf Mitgliedern, dem WOL-Circle tauscht man sich regelmäßig aus. Jeder überlegt sich, was er lernen will, welche Kompetenz oder Fähigkeit er ausbauen möchte. Die Erkenntnisse teilt die Peergroup einmal in der Woche und jeder macht transparent, was man gelernt hat und reflektiert sich selbst. Es geht vor allem auch darum Wissensarbeit transparenter und zugänglicher für alle zu machen, damit alle einen Nutzen davon haben. Gleichzeitig baut man sein Netzwerk aus und weiß, wen man für Unterstützung anfragen kann. Durch WOL verliert man die Angst Fehler zu machen. Wenn der eine Weg nicht passt, passt ein anderer und das ist okay.

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Es scheint als würden sich derzeit viele Firmen transformieren. Kommen die noch zum Arbeiten oder beschäftigten sie sich nur noch mit sich selbst?

Aus meiner Erfahrung kommt Verhalten immer von Verhältnissen. Und insofern bleibt den meisten Unternehmen gerade auch gar nichts anderes übrig, als sich zu transformieren. Also weiterzuentwickeln. Wenn sie das nicht tun, werden sie bald vom Markt verschwinden.

Die Frage ist also total richtig, ob wir uns transformieren, um auch irgendwo anzukommen? Das kann auch eine riesengroße Gefahr sein. Deswegen braucht es einen Rahmen, ein Ziel. Wofür machen wir das eigentlich? Und was kann jeder Mitarbeitende dafür tun? Das sollte schon klar sein. Und dann braucht es auch ein bisschen Zeit. Damit die Verhältnisse (Organisation) und das Verhalten (Mitarbeitende) sich verändern und weiterentwickeln.

Ein Henne-Ei-Problem: Kultur oder Mindset, was müssen Unternehmen zuerst verändern?

Ich verstehe den Punkt. Dazu gibt es übrigens ein tolles Buch „Die Graswurzelinitiative“ von Sabine und Alexander Kluge. Die haben genau diesen Punkt tiefer beleuchtet: Wie schafft man es eine Kultur zu verändern? Braucht es dazu nur das Management? Oder welche Kraft haben Mitarbeiterbewegungen – sogenannte Graswurzelinitiative. Das Bild, das mit der Graswurzel gezeichnet wird, bedeutet auch, dass die Initiative gegossen werden muss. Um zu wachsen. Und gerade in den heute noch stark hierarchischen Unternehmen muss das Wachstum durch eine Förderung des Topmanagements erfolgen. Es braucht die sogenannten strukturelle Anpassungen. Insofern muss aus meiner Sicht immer beides verändert werden – Verhalten und Verhältnisse. Das bedingt sich nach meiner Erfahrung nach gegenseitig. Und wenn sich beides verändert, dann ist es doch genau die gemeinsame Mitte, die die Veränderung von Kultur und Mindset gestaltet.

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Graswurzelinitiative

Graswurzelbewegung (englisch grassroots movement), auch Basisbewegung, ist eine politische oder gesellschaftliche Initiative (Bewegung), die aus der Basis der Bevölkerung entsteht (Basisdemokratie).

In jüngster Zeit wird auch das Phänomen von Graswurzelbewegungen in Organisationen diskutiert. Dabei handelt es sich um Initiativen aus der Mitte von Organisationen, die Missstände oder Verbesserungspotentiale adressieren, die offenbar von Entscheidern ignoriert werden. Mitarbeiter finden sich hier rund um für sie wichtige Themen zusammen, bauen Netzwerke auf und organisieren auch mithilfe interner sozialer Netzwerke Gegenbewegungen zu klassischen Managemententscheidungen. Prominentes Beispiel ist der „Business of War Letter“ bei Google, einer Bewegung innerhalb von Google, die sich gegen die Zusammenarbeit mit dem Pentagon formierte, und schließlich erreichte, dass das Management diese Zusammenarbeit aufkündigte.

Quelle: Wikipedia

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Warum brauchen wir „Resilienz“ statt „Transformation“?

Auch wenn ich es selbst so oft nutze, das Wort „Transformation“ triggert mich irgendwie. Es passt für mich nicht mehr so richtig und hat sich „abgenutzt“. Natürlich müssen wir uns transformieren, das ist wichtig für uns und die Unternehmen. Aktuell brauchen wir jedoch dringend viel mehr Widerstandsfähigkeit. Wir müssen uns in der jetzigen Welt resilienter machen.

Wie schaffen wir es resilient zu werden? Wenn jeder seine eigenen Werte und Bedürfnisse kennt. Es geht für mich darum, ehrlich mit sich zu sein. Eine gute Selbstreflektion zu machen. Die eigenen Stärken erkennen und achtsam mit sich selbst umzugehen. Für die eigene „Energie“ selber zu sorgen. Das sind alles Begriffe, die kennen wir schon seit Jahren in der Persönlichkeitsentwicklung. Aktuell ist es jedoch für uns alle wichtig geworden, diese auch wirklich mit Leben zu füllen. Nicht nur als schlaue als Worthülsen zu nutzen

Dazu gehört für mich im Übrigen auch ganz unbedingt, die Achtsamkeit mit der Umwelt, der Natur!

Die aktuell unsichere Welt wird nicht weggehen oder in absehbarer Zeit wieder langsamer werden. Im Gegenteil. Sie wird noch komplexer werden und ich bin davon überzeugt, dass wir uns darin nur zurechtfinden werden, wenn wir resilienter sind.

Achtsamkeit, Miteinander, Füreinander – das sind die Begriffe, die ich lieber nutzen würde als Transformation.

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Resilienz

Ist die psychische Widerstandskraft; Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen ohne anhaltende Beeinträchtigung zu überstehen.

Eine ausführlichere Definition findest du bei resilienz-akademie.com. Vielleicht interessieren dich auch die „7 Säulen der Resilienz“.

Transformation in Unternehmen

Transformationsprozesse können als eine geplante Umgestaltung der DNA eines Unternehmens verstanden werden. Sie sind oft verbunden mit einer grundlegenden Umwandlung der Beziehung eines Unternehmens zu einzelnen Stakeholdern und zu seinem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umfeld.

In einem Transformationsprozess werden Beziehungen zu Akteuren einer Organisation fundamental und nachhaltig neu definiert. Damit betreffen sie automatisch immer das gesamte Unternehmen – nicht nur einzelne Teile. (Quelle: tam-akademie.de)

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Bücher zum Thema (Affiliate-Links*)

Sollte dieses Interview deine Neugier geweckt haben und du möchtest mehr über WOL, Graswurzeln oder Resilienz erfahren, kann ich dir diese drei Bücher empfehlen. Ich hab sie ebenfalls im Regal stehen und teilweise schon gelesen.

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Kristina war 2020 schon zu Gast in meinem Podcast „Hotel-O-Motion on Air“. Darin haben wir über „Wenn das Housekeeping im Homeoffice arbeitet – New Work und Working out loud in der Hotellerie“ gesprochen.

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Wie stehst du zum Thema Transformation, Working out loud, Resilienz und Graswurzelbewegung? Schreib es ins Kommentarfeld unter diesem Beitrag.

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Kommentare

2 Antworten zu „Resilienz statt Transformation“

  1. Die Haspa gehört zu Hamburg wie das Franzbrötchen. Umso interessanter ist es für mich als Hamburgerin zu lesen, worüber hinter den Kulissen nachgedacht wird. Danke Valerie und Kristina für den Einblick.

    1. Vielen Dank liebe Charis!

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