Text & Podcast

by Valerie Wagner

Die Schwarzgeherin von Regina Denk erschienen bei Droemer (Foto: Valerie Wagner, Buchcover: Droemer Knaur)

Die Schwarzgeherin von Regina Denk

Manchmal hinterlässt ein Roman eine Leere, sobald man ihn fertiggelesen hat. Ich versank regelrecht in der Geschichte von „Die Schwarzgeherin“ von Regina Denk. Ich fühlte mit Theres und Maria mit, wie ich schon lange nicht mehr mit Protagonist:innen mitgefühlt habe. Ich war traurig als der Roman zu Ende war und doch so erleichtert, als die Figuren ihren Frieden gefunden haben – und Xaver seine gerechte Strafe erhalten hat.

Regina Denk erzählt ungeschönt und mit einer Wucht, die mich in die Geschichte gezogen hat. Ich las das Buch innerhalb weniger Tage durch – und das obwohl ich eine Langsamleserin bin. Die Geschichte verläuft nicht linear und das hat mich begeistert. Die Erzählung spielt auf mehreren Ebenen und aus unterschiedlichen Perspektiven. Besonders gut gefallen hat mir der Ausflug in die Fabel mit einem Adlerweibchen.

Darum gehts in „Die Schwarzgeherin“ von Regina Denk

Die Schwarzgeherin erzählt von einer jungen Frau die sich der patriarchalen Ordnung des Dorfs widersetzt und „den Schutz der Gemeinschaft verlässt, um wirklich frei zu sein.“ Die Geschichte spielt Ende des 19. Jahrhunderts, in einem abgelegenen Tal in den Tiroler Alpen. Theres ist die Hauptfigur, sie ist mutig, stolz und stark. Sie ist die Schwarzgeherin. Gleichzeitig verstoßen, aber auch immer wieder gebraucht, weil sie heilen kann, ist die Beziehung zur Familie und zum Dorf ambivalent.

In der Geschichte, die auch Rückblicke enthält, taucht Xaver auf. In den hatte sich Theres damals verliebt. Doch Xaver ist nicht der, der er vorgibt zu sein. Schon bald wird er als Wilderer verdächtigt und die Bauern im Dorf wollen ihm eine Falle stellen. Dann verschwindet er spurlos. Theres flüchtet in die Hochalpen und will ihr Kind, dessen Vater Xaver sein soll, alleine großziehen. Maria.

Im Gegensatz zu ihrer Mutter, wünscht sich Maria „Haus und Hof“ und teilt den Wunsch nach Freiheit und Selbstbestimmtheit nicht.

Regina Denk schreibt eindringlich und in gewaltiger Bildsprache. Ich hatte das Gefühl live dabei zu sein, wenn Theres durch den Schnee zu den Kranken im Dorf läuft oder Maria in den Wald flüchtet. Meine Leseempfehlung für alle die gute Geschichte mögen und die Berge lieben. Ich freue mich sehr, dass sich die Autorin für ein Interview Zeit genommen hat.

Details zum Buch: Die Schwarzgeherin von Regina Denk
Erscheinungsdatum: 02.09.2024
416 Seiten
Verlag: Droemer HC
ISBN 978-3-426-44723-9

Ein Interview mit Regina Denk

Regina Denk wurde 1981 an der bayerisch-österreichischen Grenze geboren. Die Liebe zu ihrer Heimat wurde ihr, zusammen mit der Leidenschaft für Geschichten, in die Wiege gelegt. Das Schreiben und die Berge begleiten sie schon ihr Leben lang. Vom Literaturstudium in München, bis ans andere Ende der Welt und wieder zurück in die Heimat, wo sie heute lebt – ein Bein in Bayern, das andere in Österreich. Unter dem Pseudonym Fanny König hat sie sich bisher dem bayerischen Krimi-Humor verschrieben. Nun wagt sie mit „Die Schwarzgeherin“ einen dramatischen, düsteren Ton, bei dem man bis zur letzten Seite den Atem anhält.

Foto: © Anja Auer

Wie bist du auf die Buchidee gekommen?

Ich habe unter verschiedenen Pseudonymen schon mehrere Romane veröffentlicht und immer Tausend Ideen. Bis zur Schwarzgeherin war aber noch keine Geschichte dabei, die wirklich meine Stimme trug, auf die hab ich gewartet. Meine Familie ist sehr viel in den Bergen, vor allem in Tirol und Umgebung, bei unserem letzten Besuch am Krimmler Taurenhaus hab ich irgendwie gespürt, dass ich gern diese vielen alten Geschichten meiner Großmütter und deren Mütter verbinden würde, sie alle einte diese Suche nach Freiheit in einer sehr archaischen Männerwelt. Und irgendwann, mitten in der Nacht, war dann die Theres in meinem Schlafzimmer als alte Frau, sehr hart und sehr bitter und ich wusste: Die will von mir, dass ich rausfinde, warum sie so geworden ist. Da ging dann die Suche los, in mir und in ihr nach den Hintergründen.

Warum hast du bisher unter Pseudonym veröffentlicht?

Die Romane, die ich vor der Schwarzgeherin geschrieben habe, sind allesamt klassisch Unterhaltung, ich habe viel ausprobiert, viel auch für den Markt geschrieben und weniger aus dem Herzen. Es war für mich immer klar, dass mein Name für die Geschichten reserviert bleibt, die tatsächlich eine Verlängerung von mir sind. Bei Theres haben die ersten Seiten ausgereicht, um zu wissen: Das ist es nun, das bin ich. 

Wie kommt man zu einem Pseudonym und wie wählt man den Namen aus?

Meine Pseudonyme sind offene Pseudonyme, d. h. man weiß schon, dass ich das bin (es gibt auch Autorinnenfotos), sie dienen eher dazu, den Leserinnen eine Orientierung zu geben. Also, wer Fanny König Krimis mag, weiß, dass er in diesem Fahrwasser bleibt, wenn er weitere Fannys liest, bei Lea Adam geht es im Thriller härter zur Sache – die Wahl des Namens war immer recht zackig und ein Versuch da schon passend zum Inhalt zu gehen …. Bei mir persönlich stand da nicht viel Gedanke dahinter. 

Was macht das mit der Schreibstimme?

Ich war jahrelang als Ghostwritern tätig, bin also recht gut darauf trainiert, meine Stimme anzupassen. Trotzdem ist für mich gute Kunst immer eine Kombination aus vielen verschiedenen Dingen, in der Literatur auch die Sprache, in der eine Geschichte erzählt wird. Ich probiere im ersten Kapitel meist ein paar verschiedene Ansätze aus und am Ende „fühlt“ sich der passende Stil nach vorne. Bisher habe ich in jedem Titel auch immer wieder zur Ursprungssprache zurückgefunden. Ich kann also mit etwas Pause nach der Schwarzgeherin auch wieder einen lustigen Fanny König Krimi schreiben und vielleicht auch noch mal etwas ganz Neues entdecken. Das ist für mich ein bisschen wie Gesang, das geht auch mal höher, mal tiefer ….

Warum hast du dich für diese Zeit das 19. Jahrhundert entschieden?

Das war nicht ich, das war wirklich die Protagonistin. Die kommt aus dieser Zeit, die hat das Setting mitgebracht. Ein paar Jahre, in denen die Welt schon an vielen Stellen Fortschritt spürte, das Zuhause meiner Figuren aber noch extrem geprägt war von Traditionen und diesem „wie es eben immer war.“ Ich hätte das gar nicht in eine andere Zeit oder an einen anderen Ort legen können.

Wie hast du dazu recherchiert? 

Für die Fakten habe ich viel in zeitgenössischer Literatur gelesen – also Währung, Politik, Reiserouten, Namen, Berufe etc. Für die Handlung und die Figuren dafür wenig, die habe ich gebaut, aus dem Wissen um die Gegend und das höfische Leben, das aus den Erzählungen meiner Familie da ist, aus Briefen meiner Großväter, aus Bildern – für den Adler hab ich viel zu Falknerei und dem Leben der Vögel gelesen, auch das ist aber ein Interessensgebiet, das mich schon seit meiner Jugend begleitet, da war also auch schon einiges vorhanden. Und das Innenleben der Figuren ist bewusst zeitlos, da soll das Moderne ins Historische. Und siehe da: es passt.

Welche Passagen haben es nicht ins Buch geschafft, die du gerne dringehabt hättest?

Eigentlich durfte alles bleiben, nur das Ende, das haben wir heiß diskutiert und verschiedene Optionen angefühlt. Es gab ein ganz schreckliches Ende, da ging das Leben mit allen sehr hart ins Gericht, es gab auch den Versuch eines (vielleicht) Happy Ends, das war aber grundfalsch und am Ende waren der Verlag und ich zufrieden mit der Entscheidung.

Wie hast du es geschafft, diesen Schreibstil zu finden und das so rund und passend für die Zeit und den Dialekt/Akzent der Region zu schreiben?

Ich spreche selbst Dialekt in meiner Familie, auch wenn man das in meinem restlichen Umfeld nicht hört. Viele Wendungen und Worte sind aus dem österreichischen Teil meiner Verwandtschaft, andere aus dem Bayerischen. Dennoch ist es am Ende eine Kunstsprache geworden, die man nirgendwo spricht. Für mich hat es diese komplexe Sprache, in der so vieles in einzelne Sätze gestopft wird, gebraucht als Kontrast zu dem wenig tatsächlich Gesprochenen zwischen den Figuren.

Stand der Plot Twist von Anfang an fest?

Jein. Ich plotte nicht gern durch. Ich mag es, Figuren zu erschaffen, die ein Thema haben. Dann lehn ich mich zurück und schau selbst zu, was passiert, was sie machen. Trotzdem schadet etwas Struktur nicht für die Disziplin beim Schreiben. Ich halte also meist so, dass ich einmal grob aufmale „wer, was mit wem und wie“ – und dann geschehen aber dennoch Dinge, mit denen niemand rechnet – das Leben eben!

Wo und wie hast du das Buch geschrieben? Wie lange hat es gedauert, von der Idee bis zum fertigen Roman?

Ich schreibe schnell und viel, wenn sich eine Idee festbeißt, dann muss ich das zügig aufs Papier bringen, sonst kommt die nächste und vertreibt den Vorgänger. Sehr früh und/oder sehr spät, aber eigentlich mitten in der Nacht schneide ich mir Fenster aus dem Tag und schaffe dann meist 15 Seiten am Tag, manchmal mehr. Das meist ohne Pause, dann ruht das Ganze als 1st Draft und nach ein paar Tagen gehe ich neu durch. Dann geht es an die Lektorin. Wirklich produktiv bin ich aber an Flughäfen und in Zügen, überall, wo ich mich nicht ganz wohl fühle, denn dann „fliehe“ ich sozusagen in meine Welt, in den Film in meinem Kopf. Da geht dann auch mal mehr, da verpasse ich aber auch gern mal das Einsteigen oder Aussteigen. Ich arbeite immer am PC, speicher 1.000-mal in der Cloud und schick mir alles per Mail, da ich vor Jahren einen Draft verloren habe. Das schmerzt ewig.

Gibt es die Charakter und Orte in echt oder ist alles erdacht?

Ich denke, alle Charaktere sind immer echt und immer erdacht, im Buch wie im Leben. Wie „Mensch“ funktioniert, weiß ich, weil ich viele Menschen kenne, viel lese, viele Filme schaue, Geschichten aufsauge. Jede Figur hat sicher Anleihen von Personen, die existieren, der Rest ist frei gefüllt. Umgekehrt haben wir Teile in uns, die sind fest und den Rest füllen wir auch im Alltag mit Fiktion, wie wir gern wären, wie man uns sehen soll. Es ist also hier und dort eine spannende Mischung.

Wie bist du auf die Idee gekommen, die Geschichte auf mehreren Ebenen zu erzählen, also aus Sicht von Theres, Maria und dem Adlerweibchen?

Auf der banalsten Ebene wollte ich eine spannende Geschichte erzählen, ein Memoir, an dem man dranbleibt, weil man – fast wie bei einem Krimi – wissen will, wie es ausgeht. Daneben ist es aber auch im wahren Leben doch so, dass man Menschen niemals linear kennenlernt, dass sich Fragen, die man an eine Person hat, sich durch Rückblicke durch Einzelgeschichten erklären und beantworten, als würde man ein Puzzle legen und erst nach und nach kapiert man „Ah, der ist so oder so, weil das und das.“ Darum die Zeitsprünge ….

Das Adlerweibchen ist noch mal anders. Es ist die Allegorie auf die Unmöglichkeit von Freiheit. Wir Menschen wünschen uns „frei sein wie ein Adler“ und im Laufe der Geschichte begreifen wir: Der ist ja auch nicht frei. Ganz im Gegenteil, seine Welt ist erschreckend klein. Es ist vieles anders, als wir es uns geschönt vorstellen.

Wird es einen weiteren Roman geben? Wenn ja, kannst du schon verraten, worum es gehen wird?

Ja, im Frühjahr 2026 erscheint mein neuer Roman, der im Moment noch den Titel „Der Fährmann“ trägt. Wir sind erneut in einem historischen Setting, diesmal kurz vor bis hinein in den Ersten Weltkrieg, wieder an der österreichisch-deutschen Alpengrenze.

Es wird diesmal linear erzählt, allerdings aus der Sicht von vier Hauptfiguren. Es geht vor allem um den inneren Wertekompass und was es braucht, um diesem mehr zu vertrauen als den von außen vorgegebenen Gesetzen und Normen. Es geht aber auch um biased perspective, also wie wir uns die Wahrheiten – bewusst oder unbewusst – zurechtbiegen, um unsere Normen zu stützen. Letztlich um die Frage: Gibt es eine Wahrheit die für alle gilt? Man muss da aber nicht so tief rein, wenn man nicht will. Es wird wieder ein – hoffentlich spannendes – Lebensdrama.

Weitere Buchrezension zu Die Schwarzgeherin von Regina Denk

Die Schwarzgeherin’ von Regina Denk von dieliebezubuechern.de

„Die Schwarzgeherin“ von Regina Denk von Detlef Knut

Buchvorstellung: Die Schwarzgeherin von Regina Denk von papierundtintenwelten.de

„Die Schwarzgeherin“ von histo-couch.de

Von Frauen, die Berge versetzen – SZ.de

Weitere Leselinks die zum Thema passen

Diskriminierung von Frauen: Woher kommt das Patriarchat? – nationageographic.de

Die Anfänge und Entwicklung der Frauenbewegung im 19. Jahrhundert – digitales-deutsches-frauenarchiv.de

Die langen Linien des Patriarchats – Blätter für deutsche unter internationale Politik

Lesejahr 2025: Unsere Bücher und warum wir sie gewählt haben

Zugspitzwanderung für Einsteiger: Die „einfache“ Tour über das Reintal

Aletschgletscher Wanderung: 5 Tage Gletschertour zwischen Berner Oberland und Wallis

Weitere Buchrezensionen von mir

Eine literarische Jagd auf die menschliche Moral: „Trophäe“ von Gaea Schoeters

Meine Must Reads 2025: Von München bis ans Meer und zurück

Bestseller sind nichts für mich: Drei Nicht-Rezensionen

Mehr davon? Abonniere meinen Newsletter, das Text & Podcast Magazin, und erhalte alle 4 Wochen eine Mail mit neuen Artikeln.

Im Text & Podcast Newsletter erhältst du regelmäßig spannende Trends, Diskussionen und (Geheim-)Tipps aus der Podcastszene – egal ob ausführlich recherchiert, fundiert eingeordnet oder kritisch kommentiert, aber ganz sicher auf den Punkt gebracht. Ich höre, lese und analysiere für dich, damit du den Überblick behältst. 🎧 📖

Über die Autorin

Folge mir auf: