Customer Relationship Management: Wer ist für den Gast verantwortlich?

Diese Frage hat mir Oliver Ratajczak im Gespräch gestellt und ich gebe sie hiermit an dich weiter. Wenn du magst, schreibe mir deine Antwort in die Kommentare.

Eins schon vorweg: Das CRM-System ist es nicht 😉

Oliver und ich haben uns über Kundenbeziehungen unterhalten und den Umgang mit dem Gast. Ich bin der Meinung, Digitalisierung ist das neue Guest Relation. Du musst sie nur richtig nutzen.

Viel Spaß beim Hören und wenn du lieber liest kommt hier der Artikel für dich!

Über den Podcast gefunden!

Valerie: Hallo Oliver schön dass du da bist.

Oliver Ratajczak: Schön dass ich da sein darf.

Valerie: Ich habe dich über deine Blickwinkel Kunde Podcast. Darin sprichst du über interne Kommunikation und den Blickwinkel Kunden. Erzähl mal, wer bist du und was machst du?

Oliver: Parallel zum Studium hab ich eins der ersten E-Commerce-Unternehmen in Deutschland gegründet. Damals hätte das noch keiner gesagt, heute würde man es Startup nennen. Das war 1993. Seitdem hat mich der Umgang mit dem Kunden, dem Kunden was verkaufen, Prozesse glatt machen, nicht mehr losgelassen. Und genau das mach ich auch.

2000 hab ich mit Promotion mein Studium abgeschlossen und bin dann einer internationalen Unternehmensberatung gegangen. Damals die größte schwedisch-finnische und war da verantwortlich für den Bereich operatives CRM – also Kundenbeziehungsmanagement. Ich habe mit meinen Leuten eine Software entwickelt zum Thema Beschwerdemanagement und hab die damals, witzigerweise bei einem der ersten Kunden in der Touristik, eingeführt. Dort habe ich gelernt, wie man mit dem Kunden umgehen muss und das eben hoch-systematisch und IT-unterstützt.

Nach sechs Jahren hab ich den Arbeitgeber gewechselt. Denn das Problem ist, wie will man als Unternehmensberater objektiv beraten, wenn man zufälligerweise gleichzeitig eine Software im Köcher hat, die man auch gern verkaufen möchte.

Also bin ich in einer anderes Beratungshaus gegangen und hab mich weiter den Kundenprozessen gewidmet und der Kundenbeziehung und dem best möglich strukturierten Umgang mit dem Kunden.

Und sechs Jahre später habe ich mich selbstständig gemacht mit ihre-kundenbrille.de. Ich helfe Unternehmen dabei aus Kunden profitable Stammkunden zu machen. Da gibt es zwei Säulen:

  1. profitable Kundenbeziehung, also die Kundenbindung erhöhen und das
  2. die Zusammenarbeit der Mitarbeiter verbessern

Nach meinem Verständnis ist genau das der Schlüssel zum Herzen der Kunden. Wenn Mitarbeiter nämlich anständig miteinander arbeiten können, haben die Spaß daran und das schlägt bis zum Kunden durch.

Kundenbeziehungen in der Hotellerie für die Dienstleistung

Valerie: Genau das ist ein Grund, warum wir heute miteinander sprechen. Denn in der Hotellerie fallen ja der Abruf der Leistung und die Leistungserbringungen zusammen. Das heißt ohne Gäste ist die Dienstleistung nicht möglich. Die Inanspruchnahme der Leistung und die Erbringung fällt zusammen und es unterscheidet sich ja maßgeblich zum produzierenden Gewerbe.

Worauf kommt es da deiner Meinung besonders an?

Oliver: Das wird oft gesagt, aber das seh ich anders. Nach meinem Verständnis fängt das schon deutlich früher an. Ich bin ein Verfechter der ganzheitlichen Sicht.

Von der Produktentwicklung, zum Beispiel, welche Zimmer will ich verkaufen, wie sind die gestrichen, sind die Wellness oder eben nicht, sind die gebündelt mit Arrangement, das kann man sich ja ausdenken; übers Marketing bis zum Vertrieb, egal ob Telefon oder Website.

Dann ist der Kunde irgendwann im Hotel, dann wir die Dienstleistung erbracht und danach geht es dann eigentlich genauso weiter. Wie erhalte ich die Kundenbeziehung nachdem er das Hotel verlassen hat?

Ich hab manchmal bei Hotels das Gefühl: Der Gast existiert erst, wenn er vor mir am Schalter steht. Aber der hat sich im Zweifelsfall schon geärgert.

Zum Beispiel: Ich werde gebucht in einer Stadt, dann kucke ich wo das ist in der Stadt und suche im Umkreis nach einem Hotel. Dazu schau ich mir Bilder an und denke “oh mein Gott, das halte ich nicht aus”, “okay, das Hotel geht” und dann versuche ich herauszufinden, wo ist das nächste Parkhaus. Kann ich da parken oder nicht.

Dann beginnt der Ärger schon. Schlecht gepflegte Website, ich weiß nicht wo ich parken kann und dann bin ich schon genervt. Das ist deutlich bevor ich im Hotel ankomme, wo man mir schon ein schlechtes Gefühl geben kann.
Kommunikation ist der Schlüssel

Valerie: Womit wir auch wieder bei der Kommunikation sind.

Oliver: Definitiv.

Valerie: Wir haben nicht so gute Website oder auch schlechte. Wir haben zu wenig Information auf diesen Seiten. Bei mir im Podcast und Blog geht es um digitales Hotelmanagement, also viel mit E-Commerce und Digitalisierung usw.

Ich höre des öfteren von Hoteliers, die Digitalisierung würde den persönlichen Kontakt zum Kunden einschränken bzw. der würde verloren gehen. Und darauf antworte ich immer und davon bin ich überzeugt: Digitalisierung ist das neue Guest Relation und wegen der Digitalisierung wirst du mehr Zeit für deine Gäste haben.

Oliver: Danke! Das hätte ich nicht besser ausdrücken können. Genau das ist es ja. Digitalisierung wird oftmals total falsch verstanden.

Valerie: Ja die denken alle an Roboter…

Oliver: Ja das ist total verrückt. Die denken an ganz verrückte Sachen. Das liegt wahrscheinlich daran, dass viele Agenturen das Wort Digitalisierung so durchs Dorf getrieben haben. Jeder will scheinbar ein Stückchen vom Kuchen abhaben und deshalb wird der letzte Murks als Digitalisierung verkauft. Digitalisierung gab es bereits in den 80igern oder so.

Papierloses Büro zum Beispiel wird darunter verstanden. Aber Papier zu scannen und dadurch digital zu machen, ist weit weg vom Grundgedanken der Digitalisierung. Da ist zwar zufällig was elektronisches dabei, aber eben nicht so richtig.

Und punktuelles Abschaffen von Papier und elektronisch ablegen, das hilft ja nicht so richtig. Es geht ja meistens darum wie kann man stupide, monotone und sich ständig wiederholende Tätigkeiten automatisieren.

Das ist nicht, weil man es automatisieren will, weil man unbedingt Leute abschaffen will – was ich zumindest nicht hoffe – sondern weil man denen Zeit geben will, sinnvolle Dinge zu tun. Und im Zweifelsfall sich um den Gast kümmern.

Digitalisierung ist das neue Guest Relation

Valerie: Wenn ich mir vorstelle, dass ein Check-In digitalisiert ist – da muss man natürlich das Meldegesetz berücksichtigen – ich war neulich in einem Hotel da konnte ich online einchecken. Natürlich musste ich noch vorsprechen und den Meldeschein unterschreiben, weil das Gesetz halt so ist, aber das ging ratzifatzi und ich konnte innerhalb von 2 Minuten auf mein Zimmer schlendern.

Die haben den Ablauf nicht optimal gelöst, weil die Mitarbeiter an der Rezeption, nicht mit mir gesprochen haben. Also fand keine Guest Relation statt, also es fand keine Unterhaltung statt, sondern haben mir die Zimmerkarte gegeben, mir noch den Lift gezeigt und schönen Aufenthalt gewünscht. Oder von dann und dann bis dann und dann ist dort das Frühstück.

Oliver: Das hätte ein Roboter vermutlich charmanter hinbekommen.

Valerie: Genau, da wäre dann noch die Faszination der Robotik gewesen…

Oliver: Ja wahrscheinlich, total verrückt. Das ist genau das falsche Verständnis für Digitalisierung. Es wird alles besser, effizienter und wir müssen nur noch weniger Mitarbeiter usw.

Und da genau schießt man sich in den Fuß.

Denn darum geht es ja: Nehmt doch endlich mal wieder die Chance wahr, zum Kunden Kontakt zu haben. In der Hotellerie ist viel falsch gelaufen, du sagst gerade, es gibt schlechte Websiten etc. Ja und dann lässt man sich die Butter vom Brot nehmen von Vermittlungsportalen, die 20 % – 30 % vom Zimmerpreis wegnehmen.

Ja und warum? Weil man sich vorher nicht darum gekümmert hat. Und genauso ist es jetzt: Kostendruck, ja dann müssen wir die Leute einsparen.

Das ist definitiv falsch. Ich persönlich bin fest davon überzeugt, dass die große Chance der Digitalisierung eben ist, Zeit zu haben; sich von unnützen Dingen zu befreien und in der Zeit, die man dadurch gewinnt, mit dem Kunden wirklich zu sprechen. Und nicht nur das Standardprogramm runterzuschrubben.

Kundenorientierung und Kundenservice

Valerie: Kundenorientierung! Darüber hast du ein Buch geschrieben, das heißt “Kundenorientierung und Kundenservice in der Touristik – Reisende an allen Touchpoints begeistern und Urlaub zum ganzheitlichen Erlebnis machen”.

Oliver: Ja ein griffiger, fluffiger SEO-Titel, der leider nicht von mir kommt. Den hat der Verlag ein bisschen getunt. Aber ich muss zu meiner Schande gestehen, ich hab das Buch nicht alleine geschrieben. Ich hab das zusammen mit einem Professor aus der Schweiz herausgegeben und wir haben uns 20 erfahrene Touristiker geholt und haben mit denen das Buch gemeinsam geschrieben.

Jeder von denen hat sein eigenes Kapitel geschrieben und seinen besten Input reingepackt. Ich hab “nur” den Kerngedanken, also sozusagen den Leitartikel geschrieben und die Philosophie aufgeschrieben, warum es sinnvoll ist ganzheitlich über den Kunden nachzudenken.

Also nicht nur, was mache ich genau mit ihm, wenn er an der Rezeption steht oder wie bediene ich ihn im Restaurant, sondern wie sorge ich dafür, dass er von seinem Hotelaufenthalt schwärmt.

Valerie: Kannst du da konkreter werden? Wie macht der Hotelier das?

Oliver: Es hilft, wenn man sich das ganze Mal aufmalt. Also den Kundenlebenslauf. Da beginnt man halt bei der Produktentwicklung. Wer legt fest, dass das Zimmer jetzt so heißt, eben Seaside und nicht Meerblick.

Oder das es eben das Wellness-Wochenende gibt und wer macht das? Und warum legt der das gerade so fest? Hat der vielleicht schon mal mit jemandem gesprochen, der eine Beschwerde vom Kunden bekommen hat?

Bei größeren Hotels gibt es vielleicht einen Callcenter, die die Beschwerden abfangen. Sind die Informationen die in den Beschwerden genannt wurden, schon mal bei denen angekommen, die das Produkt entwickelt haben? Oder sind die schon mal bei denen aufgeschlagen, die fürs Marketing verantwortlich sind? Das wären ja wichtig Rückschlüsse, sehe ich aber nicht so oft.

Das meine ich mit ganzheitlich. Es ist so viel Wissen in Unternehmen versteckt, die aber über Unternehmens – oder Abteilungsgrenzen nicht hinauskommen. Das finde ich sehr traurig.

Beschwerdemanagement in der Hotellerie

Valerie: Das ist so. Das sollte zurückgemeldet werden. Das liegt aber vielleicht auch an der Arbeitsweise oder dem Umgang mit Beschwerden im Hotel.

Denn wenn eine Beschwerde kommt, wird erstmal die Schuldfrage geklärt und der bekommt dann eins drauf.

Oliver: Ja ganz hervorragend, Thema Fehlerkultur. Das ist etwas was, glaube ich, vielen Unternehmen in den nächsten Jahren den Hals brechen werden. Wenn man immer den Schuldigen sucht, das hilft ja nicht.

Ich versuche den Leuten immer zu vermitteln, hey der Feind ist nicht im eigenen Haus, der sitzt da draußen. Airbnb zum Beispiel ist ein äußerst attraktiver Wettbewerber von klassischen Hotels.

Ich hab meine Hochzeitsreise über Airbnb gebucht, weil es einfach Spaß gemacht hat. Das darf ich gar nicht sagen. Die Fotos waren toll, wir haben bei einem total süßen Pärchen in Südfrankreich gewohnt. Der eine hatten Designladen an der Corsett, der andere war Yogalehrer, es hat total Spaß gemacht. Ich hatte schon beim Bilder ansehen und Texte lesen, das könnte so werden und so war es auch. Und das würde ich mir mehr von Hotels wünschen.

Valerie: Woran liegt es, dass es nicht klappt? Hoteliers können das nachlesen, hören und haben Agenturen oder Berater an ihrer Seite, warum klappt es nicht? Und noch nicht mal die großen Kettenhotels schaffen das. Also nicht alle. Da sind oftmals die Webseiten sehr unübersichtlich.

Wer ist für den Kunden verantwortlich?

Oliver: Ja bei großen Ketten ist das so eine Sache und das kann man alles auf eine Frage runterbrechen: Wer ist für den Kunden oder Gast verantwortlich? Und dann beginnt die Diskussion…

Valerie: Na die, die an der Front stehen.

Oliver: Und haben die das Plakat gemacht, was der Kunde gesehen hat? Oder haben die das Foto gemacht, was im Portal eingestellt wurde?

Valerie: Nee, das ist ja das klassische Topdown, das in der Hotellerie vorherrscht.

Oliver: Genau das ist das Problem. Wer ist wirklich für den Kunden verantwortlich? Wer sagt, ich will dass der Gast nach einem Jahr noch begeistert vom Hotel erzählt? Und wenn es sich ergibt dieser Gast weitererzählt, wenn einer sagt, ich fahr dorthin in Urlaub und der sagt Mensch da war ich im Hotel. Dieser Moment, wer ist dafür verantwortlich? Und den findet man selten.

Den finde ich, hoffe ich oft, bei inhabergeführten Hotels. Bei großen Konzernen ist es total schwierig. Wer ist es denn? Der CEO, der hat genug zu tun. Der Marketingchef? Der Kommunikationschef? Manchmal gibt es sowas wie Chief Customer Officer, der es eigentlich sein müsste, aber selten die Kompetenzen hat in alle Bereiche soweit zu greifen, wie er sollte… Super schwierig.

Da draußen tobt der Mob!

Valerie: Hinzu kommt, dass es auch eine Einstellungssache ist. Man will den anderen auch nicht auf den Schlips treten.

Viele sind kritikunfähig, viele vielleicht auch konfliktscheu. Da hapert es dann an Personen.

Oliver: Ich könnte polemische Worte verwenden… aber es geht ja nicht um den Konflikt mit der anderen Abteilung. Es geht um den Krieg der Startups da draußen, die dafür sorgen werden, dass dein Hotel bald pleite ist.

Da tobt der Mob!

Da geht nicht darum nicht zu sagen, dass der Teller dreckig war oder er böse zum Kunden, so wird es nicht besser. Es geht darum genau das zu benennen. Denn wenn du es ihm nicht sagst, wird Airbnb demnächst noch viel besser und dann wird es ganz dünn.

Finde die Lösung!

Valerie: Richtig! Und alle meckern, aber niemand sucht die Lösung. Das Gefühl hab ich zumindest. Da kommt dann irgendwann einer und der macht alles wieder heile. So wie früher die Mutter, wenn du dir das Knie aufgeschlagen hast, die pustet zweimal und sagt, alles wird wieder gut.

Oliver: Ja genau, das wäre natürlich schön. Glücklicherweise hab ich mich selbstständig gemacht und ich bin ja einer der etwas wieder heile macht. Aber es ist nicht so dass ich reinkomme, drei Pflaster aufklebe und dann geht es wieder. Ich versuche in den Köpfen der Leute was zu verändern.

Eigentlich ist es sehr simpel und die Botschaft ist recht einfach, wie gerade schon gesagt: Da draußen tobt der Mob und kümmere dich darum, dass ihr alle an einem Strang zieht und zwar in die selbe Richtung, ansonsten wird das nichts mit dem Kunden und ist bald wieder weg.

Eigentlich ganz einfach. Aber allein die Diskussion, wer zahlt mein Gehalt, ja der Chef, nein ist es vielleicht Kunde? Darüber hab ich schon Diskussionen geführt, das glaubt man nicht. Der Bedarf ist da einfach zu handeln. Das sehe ich in diversen Branchen, nicht nur in der Hotellerie.

Kundenbeziehungszentriert… oder so

Valerie: Du hast vorher Airbnb angesprochen. Ich würde sagen, die sind Kundenzentriert. Wie siehst du das?

Oliver: Ja was ist schon kundenzentriert? Man denkt immer, man muss alles für den Kunden tun. Das ist so die Maxime mit der ich im Jahr 2000 angefangen hab. Inzwischen sehe ich das ein bisschen anders.

Ich sage das Ganze ist eher kundenbeziehungszentriert. Da steckt das Wort Beziehung drin, also eine Partnerschaft auf Augenhöhe. Das heißt sowohl das Unternehmen muss Spaß daran haben, weil es genug verdient, als auch der Kunden muss sagen, das hat sich gelohnt.

Reine Kundenzentrierung und wir tun alles für den Kunden, halte ich für sehr gefährlich. Aber sich Gedanken darüber zu machen, wo kommt das Geld her, das ist sehr wichtig.

Der Kunde bestimmt… nicht?

Valerie: Ich hab ein Whitepaper gefunden. Unter dem Titel “Die Illusion der Kundenzentrierung” und darin steht “der Kunde bestimmt die Marke und seinen Umgang mit dem Unternehmen. Es ist die Ära der Konzentration auf den Kunden und umfasst das ganze Unternehmen. Aber viele Unternehmen sind auf die neue Kundensouveränität nicht eingestellt.”

Und jetzt die Frage, wie können denn insbesondere Hotels diese Souveränität erlangen?

Oliver: Ich hab ein besonderes Verhältnis zu Whitepapern von großen Beratungshäusern, da ich ja lange für Beratungskonzerne gearbeitet habe und weiß, wie und warum und mit welcher Motivation diese entstehen. Deshalb versuche ich möglichst neutral mich um die Antwort herumzudrücken. Das Paper ist von 2016 und handelt davon, “jetzt beginnt die Ära der Konzentration auf den Kunden” usw.

Das Witzige ist, als ich im Jahr 2000 damit angefangen hab, war es exakt dasselbe. Wenn man da in alle Jahresberichte der DAX-Konzerne geschaut hat, stand da immer “Der Kunde ist das wichtigste Gut” usw. Das waren dann aber nur Lippenbekenntnisse. Da ist extrem viel falsch gelaufen in den letzten Jahre.

Damals haben wir das Kundenmanagementsystem entwickelt, also CRM-System. Es gab viele Konzerne die haben riesige CRM-Systeme eingeführt, das höchste was ich gehört haben war 1,2 Milliarden DM damals.

Das was die sich erhofft haben, was passiert, dass das System denen die Kunden vom Hals hält. Das Gefühl hatte ich. Das System soll automatisch dem Kunden eine Vertragsverlängerung zusenden. Aber eigentlich soll so ein System dabei helfen mit dem Kunden umzugehen und eine wirkliche Beziehung aufzubauen.

Das wurde total falsch verstanden. Also vonwegen Konzentration auf den Kunden, das sage ich seit 20 Jahren. Und Leute, das ist der der eure Miete bezahlt. Eigentlich ganz einfach.

Wahrnehmung und Anerkennung für Kunden und Gäste

Valerie: Und außerdem ist das ja alles auch ganz normal für uns Menschen. Wir sind soziale Wesen und wollen wahrgenommen werden und Anerkennung bekommen. Natürlich kann die Digitalisierung und die digitale Tools unterstützen, aber tun muss es am Schluss der Verkäufer im Hotel. Dieses Nonplusultra gibt es nicht. Es ist halt Arbeit, ob man es glaubt oder nicht.

Oliver: Es gibt so ein paar einfache Sätze auf die man das runterbrechen kann. “Was du nicht willst, das man dir tut, das füg auch keinem anderen zu”.

Wenn jetzt irgendjemand an die Rezeption kommt, er ist von der U-Bahn 500 Meter hergelaufen mit einem schweren Koffer, ihm ist heiß, irgendwie die Jacke zu warm und er schwitzt, und dann wird der Gast nicht angekuckt und nur die Standardfragen runterspult, dann kann sich jeder selbst mal fragen, ob er das so möchte.

Nein, ich hätte gern ein Glas Wasser, ein freundliches Wort, das ist eigentlich gar nicht so schwer. Dem Kunden einfach mal zuhören, denn oft genug sagen die ja auch was und wenn sie auch nur die Augen verdrehen. Sie haben die Augen verdreht, warum, was kann ich tun?

Valerie: Total logisch, aber in der Umsetzung scheinbar schwierig.

Oliver: Ja manchmal hält man an alten Zöpfen fest. Ich versuche das mal neutral zu formulieren, bei einer Hotelkette gelingt mir das nicht so; es gibt eine Hotelkette die hat alte Zöpfe abgeschnitten und ich bin inzwischen bekennender Fan dieser Kette. Die machen vieles anders als andere Hotels.

Zum Beispiel beim Check-Out. Ich bin als Berater ziemlich viel in Hotels unterwegs und auschecken ist immer der Horror. Da stehen 20 Berater in der Schlange, alle zur selben Zeit und warum muss es morgens bezahlt werden? Naja, weil es ja noch sein kann, das jemand etwas aus der Minibar hatte. Und bei dem Hotel von dem ich rede, haben in jedem Haus eine sehr schicke Bar und kassieren einfach vor Ort, wenn noch einer was trinken will.

Oder ein Durchwahl-Telefon, damit kann man keinen mehr hinterm Ofen vorlocken. Oder WLAN im Schneckentempo ist gratis und das richtige WLAN kostet 10 Euro am Tag.
Das waren super Ideen von 15 -20 Jahren, aber die Welt dreht sich weiter.

Die Tool-Frage

Valerie: Eine Frage zur Customer Journey. Wie oder mit welchem Tool halten Hotels ihre Kunden und Gäste am Besten im Blick?

Oliver: Im Blick, man hätte am Liebsten so ein Tool, das den Kunden gläsern macht und sagt ‘jetzt musst du da drücken und dann freut der sich’. Wenn das alles so einfach wäre. Ich habe genau dafür einen Workshop konzipiert, der heißt “Stammkunden-Booster” und da dekliniert man diesen ganzen Lebenslauf und feststellt, wo es überhaupt hapert.

Eigentlich ist es gar nicht so schwer. Man muss sich anschauen, wo sind die einzelnen Kontaktpunkte mit dem Kunden? Wann passiert denn da was? Und wo kann ich Kontaktpunkte vielleicht einfügen, an die ich vorher noch gar nicht gedacht habe.

Wie halten denn die Angestellten eines Hotels mit ihren Freunden Kontakt? Wie halten die sich im Blick? Vielleicht mit ernstgemeintem Social Media? Das man mal liked oder gefällt mir drückt oder einen Kommentar drunter packt.

Vielleicht mit einer ernstgemeinten Geburtstagskarte und nicht mit einer outgesourcten elektronisch erstellten Karte an den Kunden; vielleicht, wenn man sich daran erinnert, dass der Kunden Probleme mit seinem Nacken hat und ein spezielles Kissen vielleicht schon vor Check-In im Zimmer liegt?

Und man darauf hinweist, dass das Kissen schon oben ist. Das hat etwas mit Beziehung zu tun und das muss man tun. Nur wenn man alles so trennt und sagt, ich bin hier der geschäftliche Hotelmanager und dort bin ich der private Klaus im Schützenverein, dann wird es schwierig. Wie viel Hotelangestellte sind so offen, dass sie auch irgendeinen Hotelgast bei Facebook, Xing, LinkedIn oder so, annehmen würden. Oder bei Twitter.

Wo hört die geschäftliche Beziehung auf und wo beginnt eine zarte freundschaftliche Beziehung? Das ist total schwierig, aber ich halte es für wichtig. Ich war auch mal längeren Projekten in einem Hotel, da hab ich abends eine halbe Stunde mit der Hotelbesitzerin gequatscht. Das war einfach sehr persönlich.

Und natürlich hab ich vor den eine Geburtstagskarte bekommen.

Valerie: Richtig, so sollte es laufen. Warum hat man da so eine Scheu davor, gell?

Die Arbeit bleibt

Oliver: Es ist halt Arbeit. Nur die Frage ist, wer ist für den Kunden zuständig? Womit wir wieder am Anfang sind. Jeder einzelne Kunde, der einmal bei uns war, da haben wir eine Chance den glücklich zu machen und dafür zu sorgen da der irgendwo mal rumläuft und sagt, ach du fährst auch nach Sylt, dann geh da hin.

Das kann man ja auch fördern, diese Weiterempfehlungsgeschichten. Und das ist der Ansatz: denke ganzheitlich darüber nach, wo kommen sie her und wie schickst du sie wieder weg mit welchem Gefühl und wie sorgst du dafür dass sie dich weiterempfehlen.

Valerie: Und das sie auch selbst wiederkommen.

Super Oliver, vielen Dank für das Gespräch.

Oliver: Danke schön, das ging schnell. Hat mir Spaß gemacht.

Valerie: Mir auch, vielen Dank und bis bald!

Oliver: Bis bald, Tschüss.

Über den Gesprächspartner: Dr. Oliver Ratajczak – Ihre-Kundenbrille.de

Wer ist für den Gast verantwortlich? Im Gespräch mit Oliver Ratajczak

Dr. Oliver Ratajczak gründete parallel zu seinem Studium 1993 eines der ersten e-Commerce-Unternehmen in Deutschland. Seit dem hat ihn seine Begeisterung für Kundenprozesse und Online-Marketing nicht mehr losgelassen. Nach 12 Jahren als Unternehmensberater in internationalen Beratungshäusern gründete er in 2011 Ihre-Kundenbrille.de und hilft seit dem Unternehmen dabei ihre Kunden zu profitablen Stammkunden zu machen. In Summe hat er dabei einige Jahre in diversen Projekten in der Touristik verbracht; stets mit seinen beiden Fokusthemen „profitable Kundenbeziehungen“ und „produktive Zusammenarbeit“. Seine Erfahrungen gibt er gerne als Redner und in seinem Blickwinkel KUNDE Podcast weiter.

Customer Relationship Management: Wer ist für den Kunden verantwortlich?
Customer Relationship Management: Wer ist für den Gast verantwortlich?
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Valerie Wagner Journalistin & Podcasterin
… und ich bin leidenschaftliche Podcasterin und Journalistin. Ich hoste vier Podcast-Sendungen. Zwei produziere und hoste ich selbst: Die Podcast-Reportage ist ein Interview-Podcast in dem ich mit interessanten Menschen und Experten spreche. Im Text & Podcast Podcast zeige ich dir wie du einen Podcast startest und dran bleibst. Im Format Follows Story Podcast den ich mit Heike Stiegler co-hoste, geht’s um Geschichten. Und im Die Büchestaplerinnen-Podcast spreche ich regelmäßig mit Antje Tomfohrde über Bücher. Außerdem schreibe ich journalistische Texte für Magazine und bin Mitglied im Redaktionsteam des DFJV-Podcasts.

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